Lichthören - vier Geflüchtete aus Gambia
2015, 4-teilige Fotoserie,
jeweils 60 x 90 x 1 cm,
Wer sich 2016 mit in den Medien präsenten Bildern konfrontiert hat, wurde von Fotografien zerschossener Fensterscheiben in französischen Cafes, im Bau befindlicher Zäune und überfüllter Boote voller flüchtender Menschen verfolgt. Nicht selten schlägt die Beschäftigung mit den solcherart dargestellten Inhalten in eine Strategie der Verdrängung und Resignation um. Dem wird hier nun eine vollkommen andere Bilderwelt gegenüber gestellt: In der Porträtreihe, die vier junge Männer zeigt, sieht man von Licht übergossene, weich gezeichnete Gesichter, die selbst- vergessen in eine Art Meditation versunken scheinen. Sie alle tragen Kopfhörer, die statt der gewöhnlichen Ohrenteile mit Lampen- schirmen bestückt sind, und lauschen offensichtlich etwas nach. Die poetische, leicht bizarr anmutende Szenerie wirkt so entrückt, dass der Betrachter schnell versucht ist, sich in ihre Sphäre zu versenken und der Bildrealität der Medien beim Eintauchen in die Kunst zu entfliehen. Doch die illuminierte Oberfläche der Arbeit blendet nur kurz, gleich darauf werden Fragen aufgeworfen: Wer sind diese Männer? Was verbirgt sich hinter dem Werktitel "Licht hören"? Kann man den Schein von Lampenschirmen tatsächlich akustisch wahrnehmen? Noch aufwühlender wird die Bilderserie mit dem Hintergrundwissen, dass es sich bei den Porträtierten um aus Gambia geflüchteten junge Menschen handelt. Besteht eine schicksalhafte Verbindung der Licht-Chiffre mit dem Aufbruch der Männer in ein als "Gelobtes Land" imaginiertes Europa? Inwiefern existiert in der heutigen Realität der Wunsch nach einer Bewegung zum Licht hin und was bedeutet dieses eigentlich für den Menschen - (geistige) Erhellung, Auf- oder gar Erlösung?
Text: Lea Aupperle
Fotos: Günter Weckwarth-Sänger